Was ist Transgressive fiction? Ein bei uns recht unbekanntes Genre. Aber sieht man sich einige der Autoren an, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden, dann alle Achtung.

Als Autor bin ich kein großer Fan von Genregrenzen. Beim schreiben denke ich nicht daran, welches Genre die Geschichte sein wird oder werden soll. Das ergibt sich meist von ganz alleine oder, genauer gesagt, es ergibt sich durch die Mischung aus Figuren, Handlung und Setting. Manchmal gibt es schon eine ungefähre Vorstellung, welche Art von Geschichte es werden soll, also ob es eher in eine ernste oder eine humoristische Richtung gehen soll, aber mehr nicht.

Als Leser verstehe ich jedoch die Bedeutung davon und wie wichtig Genres sind. Man kann und darf sie halt auch nicht vollends ignorieren. Für die Leser (und auch für den Verkauf) sind Genres einfach wichtig. Aber was, wenn man viele verschieden Genres mischt oder sich in keinem wirklich zu hundert Prozent zu Hause fühlt? Was, wenn es oft um düstere Charakterstudien geht, statt um Handlung? Was, wenn man eher eine Geschichte über den Ausbruch aus sozialen Normen und den gesellschaftlichen Erwartungen schreibt? Oder was, wenn die Protagonisten schlichtweg Wahnsinnige, Verbrecher, anti-soziale Nihilisten oder Anarchisten sind? Und was, wenn … und, und, und. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

In diesem Fall wird man jedoch im Genre Transgressive fiction fündig werden und sich zu Hause fühlen. Es ist ein Genre, das sich verstärkt mit Außenseitern, Randgruppen oder Verbrechern befasst. Es geht darin oft um Tabu-Themen wie Drogen, Sex, Gewalt, Verbrechen und extremeres. Wie diese Themen behandelt werden, variiert und man findet in diesem Genre eine ganze Vielzahl unterschiedlichster Autoren. Außerdem wird da auch bunt gemischt und wild hin- und hergesprungen zwischen (vorwiegend) Horror, Thriller, Crime, Sci-Fi und Satire.

Wahrscheinlich ist es auch nur bei diesem Genre möglich, dass literarische Schwergewichter wie Kafka, Dostojewski, Nabokov und Joyce neben (manchen zumindest zu Lebzeiten) als „trivial“ bezeichneten Autoren wie Jim Thompson, Stephen King, Philip K. Dick und Gillian Flynn in einem Atemzug genannt werden können. Aber auch Kult-Autoren wie Bukowski, Palahniuk, Kurt Vonnegut, J.G. Ballard und Hubert Selby Jr. finden hier Einzug.

Auch wenn es noch wie ein recht willkürlich und lose zusammengestückeltes Genre wirkt, ohne klare Definitionen (es erinnert dahingehend ein wenig an die Auteur-Theorie beim Film), und es im deutschsprachigen Raum eigentlich gar nicht wirklich existiert, empfinde ich es als ein überaus spannendes Genre. Viele meiner Lieblingsautoren zählen zu den Vertretern der Transgressive fiction.

Auf dieser Seite findet man nicht nur eine Auswahl an Autoren, sondern auch genauere Erklärungen und repräsentative Werke: https://transgressivefiction.info/