Belletristik, in Am Erker 83 Feuer

Inhalt:

In Aller guten Dinge sind drei verhindert der siebenjährige Kurt den Selbstmordversuch seiner Mutter. Als Kind weiß er es natürlich noch nicht, aber sie wird es wieder probieren. Jahre später. Doch kann er sie diesmal erneut retten?

Auszug:

Als Kurt sieben Jahre alt war, versuchte sie es zum ersten Mal. Es geschah kurz nach der Scheidung. Er spielte allein in seinem Zimmer. Er war oft alleine.

Keine Geräusche alarmierten ihn, sondern eine plötzliche Stille. Sonst hörte Kurt sie weinen oder telefonieren. Er hörte, wie sie regelmäßig Zigaretten anzündete. Den Rauch roch er bis in sein Zimmer. Weil die Tür immer offen stand.

Aber auf einmal war alles ruhig. Als wäre seine Mutter plötzlich verschwunden, er konnte die Abwesenheit beinahe spüren. Nur der Fernseher lief.

Er rief nach ihr.

Keine Antwort.

Kurt stand auf und ging hinaus. Manchmal spürte man, dass etwas Schlimmes, etwas Einschneidendes passiert war, bevor man es wirklich wusste. Es war wie eine unsichtbare Alarmglocke.

Sie saß nicht mit einer Zigarette auf der Couch. Sie lag nicht im Bett und weinte. Kurt ging weiter. Er rief sie wieder. Wieder keine Antwort.

Dann sah er ihre Füße. Sie saß neben der Couch am Boden. Mit dem Rücken zum Zimmer, zur Tür und zu Kurt. Ihr Kopf war etwas zur Seite geneigt. Als würde sie schlafen.

Auf dem Tisch der volle Aschenbecher und viele Weinflaschen und leere Tablettenpackungen. Er kannte sich damit nicht aus, wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.

Er trat einen Schritt ins Wohnzimmer. „Mama?“

Der Plastikbeutel über ihrem Kopf war innen beschlagen und feucht. Er bäumte sich nur mehr schwach auf. Ihr Gesicht sah trüb und verschwommen aus. Ihre Augen waren leicht geöffnet, aber der Blick war leer und weit weg. Sie erkannte ihn gar nicht mehr. Das machte ihm am meisten Angst. Kurt schrie nach ihr. Weinte sofort. Geriet in Panik. Versuchte den Plastikbeutel aufzureißen. Aber er war zu schwach, zu jung. Er war doch nur ein kleines Kind.

Aller guten Dinge sind drei
Aller guten Dinge sind drei

Hinter den Kulissen:

Wie man am Inhalt von Aller guten Dinge sind drei vielleicht vermutet, handelt es sich hierbei um eine recht persönliche und private Geschichte. Deshalb kann ich an dieser Stelle leider nicht sonderlich viel berichten, woher die Idee dazu kam. Sie stammt Großteils aus meinem eigenen Leben.

Rezensionen:

Man möchte diese Ausgabe von Am Erker mit einem Notizzettel und einem Stift lesen, um all die schönen Feuerwörter und Flammenbegriffe für kältere Zeiten zu sammeln: Feuer fangen, anzünden, Scheiter(n), kokeln, Streichholzliebe, Aschefetzen, flammend, Flammenblume, ofenfrisch, Aschelauge, Rauchzeichen.

Anne-Dore Krohn, Literaturport