Sci-Fi Komödie, Stadtform Heft 3 „Apokalypse“

Inhalt:

Der außerirdische Wenkmann macht Urlaub in einem zerstörten, post-postapokalyptischen Wien. Er begegnet dabei Mutanten, besucht einen tödlichen Prater, zerstört ein berühmtes Gemälde und noch viel mehr.

Auszug:

Wenkmann tat nichts lieber als Reisen. Er war so etwas wie ein hauptberuflicher Tourist und einer seiner liebsten Ausflugsziele war die Erde. Obwohl ein zerstörtes, brachliegendes Ödland, wo nur Wahnsinnige und Ausgestoßene hausten, während der Großteil der Menschheit längst auf anderen Planeten ihr Unwesen trieb, fühlte er doch eine gewisse Faszination für diesen heimeligen Himmelskörper. Er hatte ein Faible für Zerstörung und Vernichtung, liebte solche Orte, je heruntergekommener und desolater, desto besser.

Diesmal widmete er sich einer kleinen, unbedeutenden Stadt irgendwo in Europa, vergraben unter einer dicken Schicht Vergessenheit und Ignoranz, Mythen und Märchen. Wie bei allen Reisen zur Erde, wollte er sich auch dort den Gegebenheiten anpassen, um den Aufenthalt so authentisch wie möglich zu gestalten. Der Ort und seine Einwohner waren jedoch dafür bekannt, Fremde und Zugereiste sofort zu erkennen und es ihnen schwer zu machen. Eine Herausforderung, der er sich gerne stellte.

Am Landeplatz wartete bereits ein Führer auf ihn. Ein kleiner Mann mit spitzer Nase und schmalem Schnauzbart durchbohrte ihn mit seinem Blick, als er durch den komplett leeren Flughafen Schwechat marschierte. Über Lautsprecher ertönten Durchsagen und im Hintergrund künstliches Stimmengewirr, das den Schein eines belebten Flughafens wahren sollte.

Wenkmann sah sich in Ruhe um, während der Führer ihm freundliche Kommandos der Begrüßung entgegenbrüllte, und ihm gefiel, was er sah. Dieses Schwechat war außen eine einzige Deponie ausrangierter Flugzeuge und innen eine Halle nicht abgeholter Passagiere, die, zu Skeletten verkommen, ihre Anschlussflüge oder Verwandten verpasst hatten und nun für immer hier warteten.

Draußen auf dem zerbombten Parkplatz, der so mit Kratern übersät war, dass man glauben konnte, er wäre nicht für Fahrzeuge, sondern für Raketen gedacht gewesen, wartete eine Kutsche. Der Führer hieß Wenkmann Platz zu nehmen und die Fahrt zu genießen. Dann knallte die Peitsche und das Gefährt setzte sich mühevoll in Bewegung. Mühevoll deshalb, weil sie von sechs Menschen gezogen wurde. Sie sahen nicht gerade wie glückliche oder gar kräftige Menschen aus, auch wenn Wenkmanns Führer ihm versicherte, dass die Pferde, wie er die Menschen nannte, durchaus noch gut in Schuss waren.

Zuerst ging es nach einer Fahrt, die Wenkmann nie zu enden schien, zu einer der großen Sehenswürdigkeiten. Die Einheimischen nannten es das Riesenrad. Auf die Einladung, darauf eine Runde zu drehen, wusste Wenkmann im ersten Moment nicht so recht, was er erwidern sollte. Außer langen, spitzen Metallstreben, die in alle Richtungen ragten, gab es keinerlei Kabinen oder wenigstens Sessel auf denen man eine Fahrt bequem und, wie ihm schien, sicher vornehmen könnte. Es steckten aufgespießt an manchen Streben die Touristen – oder vielleicht waren es auch Bewohner der Stadt – vom letzten Jahr oder gar Jahrzehnt, was er von Aussehen und Gestank der Kadaver, die ihre ewige Rundfahrt am Riesenrad machten, nicht schließen konnte. In der Mitte befand sich ein großes Hamsterrad. Im Inneren liefen die Menschen, die es betrieben, Runde um Runde.

Er ließ den Führer, sehr zu dessen Ärger, am Eingang des Praters stehen und machte sich auf, sich selbst ein Bild von diesem sadistischen Vergnügungspark zu machen. Feindselige, musikalische Folter im Wettstreit um die größte Aufmerksamkeit. Mutierte Kraftprotze, deren Muskelberge die Ausmaße und Form von tumorartigen Geschwüren hatten, lauerten in den Geisterbahnen auf nichts ahnende Fahrgäste um ihnen ihre fetttriefende Langosch oder das bisschen Bargeld, das sie bei sich hatten, abzunehmen. Wenkmann schätzte sich glücklich, von ihnen nicht mit einem Fleischerbeil, einem Vorschlaghammer oder einfach nur mittels ihrer Körpermasse zu einem blutigen Brei zerschlagen zu werden, der dann am anderen Ende der Geisterbahn wie ein Klumpen Schleim ausgerotzt wurde. Manche Kraftprotze versuchten Besuchern, im besten Fall zahnlose, im schlimmsten Fall augenlose, alte Vetteln anzudrehen, die einem in schummrige Ecken schleppten, wo man meistens nie wieder heraus kam. Zumindest nie ohne ansteckende, Gliedmaßen abnagende Krankheiten.

Willkommen in Wien
Willkommen in Wien

Hinter den Kulissen:

Der erste Auftritt vom außerirdischen Wenkmann, dem noch weitere Abenteuer folgen sollten (und werden). Hier ist er allerdings noch ohne seinem Raumschiff Hillström unterwegs, das stößt erst bei der Geschichte U69.

Willkommen in Wien war meine erste offiziell von einem Magazin veröffentlichte Kurzgeschichte.

P.S.: Das Stadtform-Magazin dürfte es nicht mehr geben, die letzte Ausgabe ist aus dem Jahr 2017. Also, so wie es aussieht, ist das erste Abenteuer von Wenkmann vergriffen.