Sci-Fi, in Exodus 45.

Inhalt:

Die Aufpasser spielt in einer Zukunft, die der menschlichen Überbevölkerung den Kampf angesagt hat. Jeder darf nur mehr ein bestimmtes Alter erreichen. Ist es überschritten, muss man sich „einschläfern“ lassen. Geschieht dies nicht, schickt die Regierung die titelgebenden Aufpasser zur jeweiligen Person nach Hause. Der routinierte Gregor und sein jüngerer Partner Flo sind Mitarbeiter dieser Abteilung und sollen einen alten Mann zu seiner Einschläferung bringen. Eigentlich ein ganz normaler Auftrag. Plötzlich verdächtigt Gregor seinen jungen Kollegen etwas streng verbotenes zu tun: er zeigt Gefühle.

Auszug:

Der schwarze Wagen blieb exakt bei Einbruch der Dunkelheit in der Einfahrt stehen. Das Fahrzeug tauchte so pünktlich und unvermittelt auf, als hätte es sich aus dem Nichts materialisiert.

Die Scheinwerfer beleuchteten das Haus und die Eingangstür. Der Motor lief kurz weiter, dann schaltete sich alles ab. Es war still. Unter der Motorhaube knisterte und knackte es, das einzige Geräusch war das Abkühlen des Fahrzeugs.

»Wer geht?«, fragte Flo, der Mann hinter dem Steuer. Er war jung und hatte dunkle, wilde Haare. Lange Stirnfransen hingen ihm ins Gesicht. Seine Züge waren hager, fast dürr, und bei Wangen und Augen konnte man richtig die Knochen seines Schädels erkennen.

»Ist dein Job«, sagte Gregor, der Beifahrer, und zündete sich eine Zigarette an. Die Flamme und die Glutspitze waren der einzige Funken Helligkeit im Wageninneren. Gregor hatte harte, versteinerte Züge und am Kopf wurde er langsam kahl. Seine tiefen Augenringe wurden von einer zarten Brille umrandet und kamen dadurch besser zur Geltung. Er sah mehr wie ein Beamter aus, als wie ein staatlicher Killer.

»Wieso ist es mein Job?«, wollte Flo wissen.

»Du bist in Ausbildung.«

»Lass uns drum spielen.«

»Spielen?«

»Stein, Papier, Schere.«

»Meinetwegen.«

Sie schüttelten die Fäuste.

Gregor gewann mit Papier.

»Noch ein Versuch. Zwei von drei.«

»Okay.«

Gregor gewann wieder mit Papier.

»Verdammt noch mal«, fluchte Flo. »Wieso gewinnst du immer?«

»Weil du immer Stein nimmst«, meinte Gregor.

»Blödsinn.«

Noch eine Runde. Gregor gewann mit Papier.

Noch eine Runde. Gregor gewann mit Papier.

Noch eine Runde. Gregor gewann mit Papier.

»Okay, alles oder nichts.«

Gregor gewann mit Papier.

»Also gut, dann hol ich ihn«, sagte Flo und stieg resigniert aus dem Wagen aus. »Kannst du deine Kippe wenigstens draußen fertig rauchen?«

Gregor seufzte und stieg auch aus. Sofort schwappte kalte Luft über ihn. Langsam wurde es Winter. Die Luft war kühler und ein kräftiger Windstoß fühlte sich im Gesicht wie ein Schnitt mit dem Messer an. Gregor steckte die Zigarette zwischen die Lippen und zog sich seine schwarzen Handschuhe an. Es war erst knapp nach fünf und schon stockdunkel.

Die Aufpasser in Exodus 45
Die Aufpasser

Hinter den Kulissen:

Die Idee zu Die Aufpasser hat eigentlich einen unglaublich banalen Ursprung. Sie kam mir während einer Autofahrt. Ich war in meinem damaligen Job mit dem Geschäftsführer und einem Kollegen dienstlich unterwegs, auf dem Weg zu einem Kunden. Unser Geschäftsführer saß hinter dem Steuer, mein Kollege hinten und ich am Beifahrersitz.

Nach einer Abzweigung hielten wir plötzlich hinter einer Reihe geparkter Autos an, anstatt in der richtigen Fahrspur zu bleiben. Mein Kollege und ich warfen uns einen verwunderten Blick im Rückspiegel zu, wir wussten, das war noch nicht unser Zeil. Mit laufendem Motor standen wir dort.

Vorne wurde die Ampel grün. Natürlich fuhr kein geparktes Auto weiter. Irgendwann meinte unser Geschäftsführer ganz verwundert, wieso da keiner fährt, wenn die Ampel doch schon längst grün ist. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er auf der Parkspur stand. Mein Kollege und ich mussten heimlich ein Lachen verkneifen. Und dann musste ich unserem Geschäftsführer sagen, dass er in der falschen Spur stand.

Dann haben wir eigentlich alle darüber gelacht. Und irgendwie ist daraus dann Die Aufpasser geworden.

Und, das fällt mir erst jetzt auf: eine Figur in der Geschichte heißt genau, wie mein damaliger Kollege im Auto.

Rezensionen:

Die Geschichte lässt sich Zeit; sowohl der alte Mann als auch die beiden Aufpasser werden behutsam und sorgfältig eingeführt und auch der abschließende Twist gelingt.

Holger Marks, Andromeda Nachrichten 280

Rauchs „Die Aufpasser“ entwirft ein dystopisches Bild der Zukunft. Dabei steht die Frage nach dem Wert des einzelnen menschlichen Lebens stets im Vordergrund. Für die Probleme, die in der Kurzgeschichte beschrieben werden, gibt es keine simple Lösung. Auch der Eingriff in die menschliche Genetik, um Emotionen zu unterdrücken, macht die Entscheidungen, die die Menschheit in dieser Kurzgeschichte getroffen hat, nicht erträglicher.

Rahel Schmitz, Zauberwelten