Sci-Fi Satire, in Das Buch der vergessenen Geschichten Band 1, Papierfresserchens MTM-Verlag
Inhalt:
Manuel gerät in die Fänge überaus moderner Medizin. Und obwohl die Ärzte seine Krankheiten heilen, wird er dennoch nie richtig gesund. Das liegt vor allem daran, dass er das Kleingedruckte in den Geschäftsbedingungen nicht liest.
Auszug:
Zuerst hörte er auf zu laufen. Dann blieb er ganz stehen. Ging in die Knie. Lag am Boden. Zum Schluss kam die Rettung.
Die Ärzte sagten ihm, es war ein Lungenkollaps. Ein Infarkt, ähnlich wie er beim Herzen auftritt. Nicht so häufig wie ein Herzinfarkt, aber kommt doch hin und wieder vor.
Man hört auf zu leben in dem Moment, wo man auf die Welt kommt, dachte Manuel. Das ganze Leben strebt unaufhaltsam auf den Tod zu, als wäre es das einzige Ziel.
„Die gute Nachricht ist“, sagte der Arzt, „es ist kein Krebs.“
„Die schlechte Nachricht ist“, sagte ein zweiter Arzt, „dass ihre Lunge irreparable Schäden erlitten hat.“
„Enorme Schäden“, wieder der erste Arzt.
„Es tut uns leid.“
„Ohne Hilfe werden sie nicht mehr normal atmen können.“
„Hilfe?“, fragte Manuel.
„Künstliche Hilfe.“
„Maschinelle Hilfe.“
Sie präsentierten ihm seine neue Atemmaske. Eine kleinere, handlichere Version von der Maschine, an der er im Krankenhaus angeschlossen war. Sie kümmerte sich darum, dass seine Lungen ordentlich arbeiteten und den Körper mit dem dringend benötigten Sauerstoff versorgten.
„Mit anstrengendem Training und Marathons ist es jetzt vorbei.“
„Kondition haben sie damit keine.“ Mit einem Lächeln auf ihren Gesichtern verabschiedeten sie sich von Manuel. Noch am gleichen Tag trug er sich auf die Organspenderliste ein.
In den nächsten drei Jahren gewöhnte Manuel sich an die Atemmaske. An den Schlauch, der seine Nase hinunter führte. An das ständige Gefühl einen kleinen Fremdkörper in der Lunge zu spüren. An die gelegentlichen Erkältungen, wenn jeder Hustenreiz wie eine Explosion war und jedes Schnäuzen sich anfühlte, als würde ihm die Lunge durch die Nase entkommen. Sogar daran gewöhnte er sich.
In gewisser Weise war es also nicht verwunderlich, dass er über den Tod seines künftigen Organspenders alles andere als traurig war. Manuel weinte zwar, als er die Nachricht bekam, aber es waren die reinsten Freudentränen.
Er unterschrieb das Formular für die Übernahme der Spenderlunge so schnell, so schnell hatte er sich in den letzten drei Jahren nicht bewegt.

Hinter den Kulissen:
Ein langer Atem lag wirklich lange in meiner Schublade. Obwohl ich die Geschichte immer wieder verschickt habe, wurde sie nie angenommen. Bis jetzt. Und sie passt doch perfekt in eine Anthologie, die sich gerade aus so „angestaubten“ Geschichten zusammensetzt.
Was aber damals, vor so vielen Jahren, meine ursprüngliche Intention hinter der Geschichte war, weiß ich heute nicht mehr genau. Ich glaube, es ging vor allem viel um diese Vorstellung, dass man heutzutage in Krankenhäuser selten wirklich gesund wird, sondern dort meist nur immer mehr Krankheiten und Gebrechen anhäuft und die Ärzte immer mehr und mehr Probleme entdecken.
Inhaltlich und stilistisch ist sie auf jeden Fall stärker mit meinen eher satirischen und schwarzhumorigen Geschichten wie Schwein gehabt oder den Abenteuern von Wenkmann & Hillström verwandt. Wobei man auch deutlich merkt, dass es eine sehr kurze, rudimentäre Geschichte ist, es gibt kaum Charakterentwicklung oder ausgeschmückte Beschreibungen. Es ist mehr eine Anekdote, als eine richtige Kurzgeschichte.
Mir gefällt sie trotzdem auch heute noch ganz gut.