Postapokalyptische Sci-Fi, in Exodus 49.
Inhalt:
Daniel lebt mit seiner Schwester und ihrer Familie in einem Haus am Land. Von seiner eigene Familie ist Daniel während den ersten Unruhen und Zerstörungen getrennt worden, seitdem gelten sie als vermisst.
Auf ihrem Grundstück sind sie im Besitz einer der letzten Wasserreserven, die es in ihrer zerstörten Welt noch gibt. Ständige Angriffe von anderen Überlebenden gehören zu ihrem Alltag. Doch Daniel, Samantha, ihr Mann Rudolf, verteidigen ihre Quelle mit allen möglich Mitteln. Jeder Tag ist ein erneuter Kampf. Bis eines Tages auch bei ihnen alles in die Brüche geht.
Auszug:
Der erste Schuss knallte und zersplitterte die Stille wie eine Glasscheibe. Die Kugel ging daneben, flog über ihre Köpfe hinweg und hinaus in eine fast leere Welt. Sie kamen wegen des Brunnens. Sie wollten das Wasser. Es war die einzige Quelle im Umkreis von mindestens hundert Kilometern. Vielleicht die letzte im ganzen Land.
Daniel erwiderte das Feuer. Zuerst müssten sie an ihm, seiner Schwester Samantha und ihrem Ehemann Rudolf vorbei. Alles war gut geschützt. Die Quelle befand sich hinter dem komplett verbarrikadierten Haus, das nur ein Panzer oder Raketenbeschuss zerstören könnte. Die Rückseite wurde von einem vertrockneten Wald umschlossen, der am Fuß eines Berges lag. Von dort konnte sie niemand überfallen, außer man nahm den Weg über das Gebirge. Dort oben, zwischen den schartigen Felsen und tiefen Schluchten, verbarg sich die Quelle des Brunnens.
Für Angreifer gab es nur einen vielversprechenden Weg, ihr Wasser zu erreichen. Sie müssten sich die alte Straße entlangkämpfen. Über glühenden Asphalt, an den wenigen verfallenen Einfamilienhäusern und Bauernhöfen vorbei, die kaum Deckung boten, bis hin zu ihrer Hauseinfahrt. Und die verteidigten Daniel und seine Familie mit allem, was sie hatten.
»Hinten, beim verbrannten Gebäude«, sagte Daniel und nickte in Richtung der Ruine, die früher das erste Nachbarhaus bildete. Gut zweihundert Meter entfernt.
»Seh ihn.«
»Erkennst du, wie viele?«
»Noch nicht.«
Egal ob vereinzelte Plünderer oder eine ganze Armee, kampflos würden sie nicht aufgeben. Wasser war in ihrer Welt zu einer unschätzbaren Kostbarkeit geworden. Sie kämpften um das vielleicht letzte Wasser, das diese Quelle noch führte. Es war ihr letztes bisschen Leben.
Daniel wischte sich mit dem Hemdärmel den Schweiß von der Stirn. Die Sonne stand hoch. Er konnte sich nicht mehr erinnern, dass es jemals anders gewesen war.
»Triffst du ihn?«, fragte Daniel.
»Hat sich versteckt.« Auf diese Distanz war seine Schwester die bessere Schützin.
»Bei der Ruine ist noch einer. Eine Frau, glaub ich.« Daniel legte an und zielte. Die Frau gegenüber war nahe genug. Ihr Gesicht erkannte er nicht, nur ihren Körper und wie sie sich bewegte. Sie versteckte sich hinter dem Schutthaufen, der mal ein Gasthaus gewesen war. Dort drinnen hatte er als Kind die erste Schlägerei seines Lebens mit angesehen. Später seinen ersten Rausch erlebt.
Daniel wartete. Er wollte sichergehen, dass die Frau wirklich angreifen würde. Denn wenn nicht, brauchte er ihr nichts anzutun. Es machte ihm keinen Spaß, jemanden zu erschießen.
Neben ihm ein Schuss. Samantha hatte abgedrückt und den Mann beim ausgebrannten Haus erwischt.
Daniel warf ihr einen raschen Blick zu.
»Hat sein Gewehr angelegt.«
»Erst schießen, dann fragen?«, sagte Daniel. Ein kurzer Moment, in dem ein Scherz sie zum Lachen brachte. Es gab nur mehr wenig in diesem Leben, worüber man noch lachen konnte.
»Ich würde sagen, die Zeit Fragen zu stellen, ist vorbei, meinst nicht?«
»Gutes Argument.« Daniel zielte wieder auf die Frau. Früher oder später würde sie aus ihrem Versteck kommen.
Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Der Hemdärmel war nass und eine Salzkruste bildete sich, wo die Flüssigkeit eingetrocknet war. Neben ihm stand eine Wasserflasche. Aus Plastik. Plastik, dachte er. Ist nicht lange her, dass so was noch hergestellt wurde. Staub und Schmutz überzog die Flasche mit einem Film, der nicht abzuwaschen war. Ein Relikt und gleichzeitig ein Denkmal der menschlichen Spezies.
Er wollte einen Schluck trinken, aber er zögerte. Zuerst musste er sich um die Frau kümmern.

Hinter den Kulissen:
Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht mehr, was die ursprüngliche Inspiration (oder Quelle, wenn man so will, hehe, schlechtes Wortspiel) zu dieser Kurzgeschichte war. Irgendwann war sie irgendwie einfach da und ich hab sie niedergeschrieben. Viel mehr kann ich dazu gar nicht sagen.
Umso mehr freut es mich natürlich, dass Die Quelle im Exodus Magazin einen Platz gefunden hat. Nach Die Aufpasser bereits meine zweite Geschichte in diesem großartigen Magazin für Science-Fiction und Phantastik. Und hoffentlich nicht meine letzte.
Rezensionen:
Während der Titel eigentlich verheißungsvoll einen Anfang und neues Leben suggeriert, schrumpft eine kleine Gruppe in vermeintlich sicherer Abgeschiedenheit bei verzweifelt geführten brutalen Kämpfen um simples Wasser nach und nach. Sie halten am Leben fest und ihre einzige (versiegende) Hoffnung ist die besagte Quelle hinter ihrem Haus.
Mit schonungsloser Brutalität schildert der Autor, wie Menschen innerhalb kürzester Zeit ihre Menschlichkeit ablegen, obgleich ihr Ende unausweichlich ist.